Die junge Familie Prodinger führt in dritter Generation den Biobauernhof Suppangut im Salzburger Mariapfarr. Ihr Credo: Die Natur nicht ausbeuten, sondern mit ihr arbeiten. Erdäpfel, Getreide und Milch werden aus Überzeugung biologisch produziert. Gäste packen gerne mal mit an. Und fragen den Bauersleuten nicht selten Löcher in den Bauch. Die freuen sich über so viel ehrliches Interesse.
Als Leonhard Prodinger nach dem Studium zurück in den Lungau kam, waren die Erwartungen hoch. Der hat studiert, der weiß jetzt genau wie es funktioniert, der wird die Landwirtschaft groß aufziehen. So wurde gemunkelt. Ja, er hatte studiert. Und ja, er wusste, wie es geht. Nämlich genau anders herum. Klein statt groß, langsam statt schnell, extensiv statt intensiv. Er beschäftigte sich ausgiebig mit der Natur. Damit, wie man den Boden möglichst schonend behandelt. Oder wie man die natürlichen Abläufe der Tiere unterstützt. Er baute den Bio-Gedanken seiner Großeltern und Eltern aus. Er tüftelte, werkelte und entwickelte das Lebenswerk seiner Vorfahren mit viel Tatendrang weiter.
Der Jungbauer entschied sich für Fortschritt, in dem er bei manchen Arbeitsabläufen einen Schritt zurück machte. Das verdeutlicht die Heuernte: Die Wiesen werden nur zwei Mal im Jahr gemäht, das dritte Mal weiden die Kühe. Dadurch haben die Samen genügend Zeit um auszufallen, die Gräservielfalt bleibt erhalten. Die Wiesenkräuter sind wertvolle Nahrung für die Kühe, die Blüten für Bienen und andere Insekten. “Man muss sich Gedanken machen, welchen Weg man gehen will“, sagt Leonhard Prodinger, der im Lungau Vorstand von BIO AUSTRIA ist. „Besonders dann, wenn man den Hof an weitere Generationen übergeben möchte.“ Zum nachhaltigen Wirtschaften gehört unter anderem auch die Teilnahme am regionalen Wiesenbrüterprogramm. Dabei werden einzelne Wiesenstreifen beim Mähen stehen gelassen. Sie bieten vom Aussterben bedrohten Vögeln wie dem Braunkehlchen Lebensraum und Nahrungsangebot.
Mit Leib und Seele Bauer
Schon der Großvater des 32-Jährigen war ein Vorreiter der biologisch geführten Landwirtschaft. Auch der Vater hat den Gedanken weitergetragen. Obwohl Leonhard vier Geschwister hat war schon immer klar, dass er den Hof einmal übernehmen würde. Trotz des Studiums war er jedes Wochenende im Lungau und hat viel am Hof mitgearbeitet. „Nur ein einziges Mal bin ich am Wochenende in Wien geblieben.“ Als diplomierter Agrar- und Nutztierwissenschaftler übernahm er den elterlichen Betrieb bald zur Gänze. „Ich bin mit Leib und Seele Bauer“, sagt der Mann mit der Latzhose und dem sanften Lächeln über sich selbst. Ständiges Hinterfragen und Weiterentwickeln gehören für ihn dazu. Immer mit dem Ziel, mit der Natur zu arbeiten und ihr genügend Zeit zum Regenerieren zu lassen.
Leben im Rhythmus der Natur
Das Suppangut liegt auf 1.100 Meter Seehöhe auf einer kleinen Anhöhe außerhalb von Mariapfarr. Die Geschichte des Gebäudes reicht viele Hundert Jahre zurück. Dicke Mauern, kleine Fenster und prächtige Holzbalkone mit Blumen machen den Hof zu einem architektonischen Schmuckstück. Die Ferienwohnungen und Zimmer sind einfach, aber gemütlich und mit viel Holz eingerichtet. Keine übertriebene Dekoration, kein Fernseher, der ablenkt. Die Schafweide, der Naturteich, die hauseigene Kapelle, der Kuhstall mit Heustadel und eine Burgruine mit angeschlossenem Kräutergarten umrunden den Hof. Das Leben hier oben hat seinen eigenen Rhythmus.
Den Takt gibt die Natur vor. Um sechs Uhr in der Früh blöken die Schafe. Die Vögel zwitschern. Das Quellwasser plätschert aus dem hölzernen Hausbrunnen. Geräusche, die auf sanfte Weise Ruhe und Geborgenheit vermitteln.
Alles braucht seine Zeit
Noch bevor die Sonne aufgeht, ist Leonhard Prodinger bei den Kühen im Stall. Melken, ausmisten, füttern. Im Sommer sind die Tiere oben auf der Alm. Dann ist der Biobauer oft draußen bei der Heuernte. Im Herbst steht das Wintergetreide im Mittelpunkt: anmisten, pflügen, säen, eggen, walzen. Alles braucht seine Zeit. Das ist dem Konsumenten oft nicht bewusst, wenn er zum fertigen Produkt greift. „Die Gesellschaft ist relativ weit weg gerückt von der Lebensmittelproduktion. Dadurch ist es einfach nicht mehr so ersichtlich, dass der Bauer dafür zuständig ist“, sagt Leonhard Prodinger. Wenn es schon dunkel ist, werkelt er oft immer noch herum. Im Winter geht der junge Biolandwirt in den Wald, schneidet Lärchen, Fichten oder die Zirben auf der Alm um.
Ein gutes Leben an einem schönen Ort
Die Prodingers leben vor allem vom Anbau von Eachtlingen – Lungauer Kartoffeln – , Tauernroggen, Dinkel und von der Milchwirtschaft. Dazu kommen die Zimmervermietung im Sommer und die Forstwirtschaft im Winter. „Man hat als Bauer viel Arbeit, auch viel unbezahlte“, sagt Leonhards Frau Christina, „aber wir sind aus Überzeugung Landwirte.“ Was Außenstehenden vielleicht nicht immer bewusst ist: Auch ein Bauernhof ist ein Wirtschaftsbetrieb. Kosten müssen kalkuliert, neue Standards erfüllt, Ställe umgebaut und Gästezimmer in Schuss gehalten werden. Trotzdem: Das Leben am Hof bringe viele Freiheiten mit sich, man könne seinen Alltag sehr selbständig plane
n, findet die Bäuerin. Das heißt auch: Tagsüber Zeit für die Kinder, Magdalena (3 Jahre) und Theresa (10 Monate) zu haben, als Familie zu spielen, gemeinsam zu essen, sich zusammenzusetzen. „Wir haben ein gutes Leben an einem schönen Ort. Das muss man einfach zu schätzen wissen.“
In den Alltag am Biohof eintauchen
Urlauber, die eine Zeit lang am Suppangut mitleben, passen sich dem Rhythmus oft ganz automatisch an. Sie schätzen die frische Bio-Milch und die selbst gerührte Bio-Butter am Frühstückstisch. Sie graben ihre eigenen Eachtlinge aus, gehen Eierschwammerln suchen, versuchen sich im Traktorfahren oder helfen Leonhard dabei, den Zaun zu reparieren. Ihre Kinder spielen gemeinsam mit den Hofkindern. Sie lernen dabei wie von selbst, was man darf und wo man aufpassen muss.
Sie hocken stundenlang am kleinen Bach, bauen Sandburgen oder verausgaben sich beim Heuhüpfen. An manchen Tagen klopfen kleine Feriengäste aufgeregt an der privaten Wohnungstür der Bauern. Sie können es kaum erwarten, wenn Leonhard Prodinger in den Stall geht und mit frischer Milch zurückkommt.
Ein Hof ist kein Animationsprogramm
Die Familie Prodinger schätzt den Austausch mit den Gästen. Abends sitzt man gerne zusammen bei einem Stamperl Zirbenschnaps oder am Lagerfeuer. „Ein Animationsprogramm ist unser Bauernhof aber nicht“, hält Christina fest. Die Arbeit muss getan werden. Fragenstellen und Mithelfen sind trotzdem willkommen. Das trägt dazu bei, eine realere Vorstellung von der bäuerlichen Nahrungsmittelproduktion zu bekommen. „Der Konsument möchte immer das schöne Bild vor Augen haben“, sagt Leonhard Prodinger. Aber auch die weniger idyllischen Momente gehören zum echten Hofleben dazu.
Und Christina freut sich über wissbegierige Urlauber: „Das Interesse vieler unserer Gäste finde ich sehr gut, denn so nahe bist du sonst nie am Konsumenten. Hier am Hof können wir ihnen erklären, wie wir arbeiten und warum Bio-Produkte ihren Preis haben.“
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