Raus aus dem Alltag, das Smartphone abdrehen und die Zeit für sich selbst nutzen. Auf der Wallmanhütte im Salzburger Tennengau gelingt das Offline-Experiment besonders gut. Die passende Ablenkung ist schnell gefunden. Christine Schnaitmann, Bio-Bäuerin und TEH-Praktikerin, bietet auf 1270 Meter Seehöhe Kräuterführungen und Kräuterkurse an.
Unser Auto schraubt sich Kurve um Kurve zur Selbstversorgerhütte empor. Den elektronischen Schlüssel zum Schranken haben wir uns bei Christines Mann Andreas am Wallmanhof abgeholt. Auf dem Bio-Bauernhof züchtet die Familie vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen, wie die Sulmtaler Hühner, die Pinzgauer Strahlenziege, die Cröllwitzer Pute und das Pinzgauer Rind. Die Kühe haben es besonders gut. Sie dürfen im Sommer Almluft schnuppern und auf der Spielbergalm weiden.
Auf diesem Almgebiet steht auch die Wallmanhütte, wo Christine auf uns wartet. Vor mehr als 15 Jahren errichteten sie und ihr Mann mit tatkräftiger Hilfe von Familie und Freunden diese Almhütte. Als Baumaterial diente fast ausschließlich Holz, der Großvater tischlerte die Möbel aus heimischen Tannen- und Fichtenholz. Im oberen Stock sind 4 Schlafräume untergebracht, insgesamt haben auf der Hütte 14 Personen Platz zum Schlafen. Treffpunkt für alle Urlauber ist die heimelige Wohnküche mit ausreichend Sitzgelegenheiten und einem gemütlichen Liegesofa.
In einem eigenen Schrank ist eine Auswahl von Kräuterprodukten aus dem Hause Schnaitmann ausgestellt. Da gibt es Kräutersalze, Räucherwerk, Kräuteressige, Duft- und Raumsprays und Duftsackerl.
Für das Thema Kräuter hat sich Christine schon immer interessiert. Sie wollte die Pflanzen aber nicht nur bestimmen können, sondern auch lernen, welche Verwendungsmöglichkeiten es gibt: „Von Räuchermischungen bis zum Seifensieden, was man aus Kräutern machen kann, ist einfach klass!“ Im Zuge ihrer TEH-Ausbildung in Unken hat sie auf dem Wallmanhof einen Kräutergarten mit 63 Kräutern angelegt. Am Hof hält Christine auch Workshops zu den Themen Naturkosmetik, Heilsalben und Hydrolate ab. Finden sich fünf Personen, findet der Kurs statt. „Am liebsten ist es mir den Gästen auf der Alm etwas zu erklären, die sind nicht so im Stress“,
lacht Christine und zeigt auf das Kräuterbeet, das sich auf einem Hang neben der Wallmanhütte befindet. „Jeder kann sich nehmen, was er braucht. Eigentlich möchte ich noch alles beschriften, aber es ist auch ein bisserl schwierig, denn wo das Kraut aufgeht, darf es auch wachsen. Ich mag die Pflanzen nicht einkasteln, so ist es viel natürlicher. Und auf der Wiese soll man die Kräuter ja auch erkennen können, da sind die Pflanzen ja auch nicht beschriftet.“
Die Bio-Bäuerin probiert immer wieder Neues aus. „Meine neuesten Produkte sind Kräuteressige und Oxymel. Den Sauerhonig gebe ich zum Beispiel ins Joghurt oder würze damit den Salat.“ Mißlungen sei ihr noch kaum etwas, erklärt sie, während sie mir selbstgemachten Brombeersaft ins Glas leert: „Und wenns ma ned schmeckt, tua i anfoch nu wos dazua!“ In nächster Zeit plant sie eine Fortbildung zum Thema Putzmittel: „Essig ist der beste Kalkreiniger und das gekaufte Putzmittelzeug stinkt ja gewaltig.“ Sie kann sich vorstellen, den Putzessig mit ätherischen Ölen oder Hydrolaten anzureichern. Trotzdem möchte sie mit ihren Kräuterprodukten nicht in eine Produktionsschiene hineingeraten. „Gewisse Produkte gibt es zwar immer, aber irgendwann ist es aus, oder es ist ein schlechtes Kräuterjahr, jo mei, des is so…“
Die Arbeit am Hof und mit den Kräutern erfüllt Christine mit viel Freude und Zufriedenheit. In erster Linie wollen die Schnaitmanns Selbstversorger sein, die mit ihren Produkten zusätzlich Leute versorgen, die Bio-Lebensmittel schätzen. Neben den unterschiedlichsten Kräuterprodukten verkaufen sie auch Fleisch. Für den Eigenverbrauch werden Hühner und Puten gehalten. Da sich die von ihnen praktizierte Mutterkuhhaltung nicht mit der Milchwirtschaft verträgt, holt sie die Milch vom Nachbarn. Daraus erzeugt sie Frischkäse, Topfen und Joghurt.
Die Freiheit, selbst zu entscheiden, was sie tut, schätzt sie am meisten. Wichtig ist ihr der direkte Bezug zur Natur, denn: „Der Städter erlebt die Natur nur in der Freizeit, das ist etwas ganz anderes, als wenn jemand ständig in der Natur arbeitet oder mit ihr lebt.“ Dieses Leben in der Natur und mit der Landwirtschaft geben sie und ihr Mann an ihre Kinder weiter. Trotzdem sieht sie die von ihr gewählte Lebensweise nicht als Dogma. Beide Kinder sollen sich wohlfühlen und den eigenen Weg finden. In die Fußstapfen der Eltern müssen sie nicht treten.
Schlimm findet sie es, wenn Landwirtschaft zu einem Industriebetrieb wird: „Ich glaube nicht, dass wir Bauern Unmengen produzieren müssen und nicht mehr wissen, was wir mit dem Überschuss tun. Deshalb finde ich es wichtig, dass es kritische Stimmen gegenüber den Landwirten gibt. Kritik schadet nicht, denn die es gut machen, hebt es hervor.“
Ein weiteres Thema ist Christine ebenfalls wichtig: Das Verhalten von Wanderern auf der Alm. Vielen Leuten fehle mittlerweile der Bezug zu den Tieren. „Wenn die jetzt Wandern gehen, wissen sie nicht, wie sie sich verhalten sollen. Bei einem Hund weiß man, dass der beißen kann. Aber bei einer Kuh ist es nichts anderes. Unsere Mutterkühe verteidigen ihre Kälber.“ Den Wanderern nur einen Prospekt mit Ratschlägen in die Hand zu drücken, findet sie daher viel zuwenig. Aufklärung und Information müsse viel früher stattfinden, am besten schon in der Schule.
Abschließend bekomme ich noch einen kulinarischen Tipp. Christine zeigt zur nächsten Almhütte: „Beim Hannes auf der Karalm kriagst die besten Fleischkrapfn. I moch de nur ganz selten, des is nämlich eine ziemliche Arbeit.“
Beim Hannes kehren wir die nächsten Tage gleich zweimal ein. Einmal entscheiden wir uns für Fleischkrapfen und eine Brettljause, ein anderes Mal wählen wir die süße Variante namens Zottelkrapfen. Das ist eigentlich ein normaler Bauernkrapfen, der nochmals in geschlagenes Ei getaucht und in Fett herausgebacken wird.
Unsere Kochkünste beschränkten sich auf die morgendliche Eierspeise mit Speck. Verfeinert wurde das Frühstück natürlich mit Christines Almkräutersalz und schmeckte dadurch doppelt so gut.
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